Lahn 2019

Die Schleuserbande, Helene Fischer und der Bischof von Limburg – eine Wanderfahrt auf der Lahn

Dr. Wolfgang Litzenburger

Wer eine Wanderfahrt macht, der kann etwas erleben, selbst wenn er auf der Lahn von Wetzlar bis Obernhof (98 Kilometer) unterwegs ist. 17 Ruderinnen und Ruderer aus 4 Rudervereinen sowie Mitglieder der „Internatio-nal Fellowship of Rowing Rotarians“ (IFoRR) oder einprägsamer: rudernde Rotarier, starteten am Freitagmorgen, dem 3. Mai 2019, am Parkplatz Bachweide in Wetzlar zu ihrer 3tägigen Tour auf der Lahn, begleitet von den Ehefrauen von vier Ruderern, die den Landdienst sicherstellten.

Die Sterne, genauer die Wetterprognosen aller verfügbaren Apps, standen nicht gut. Voraus-gesagt waren Temperaturen im niedrigen einstelligen Bereich, Dauerregen – und dann auch noch keine Sonne. Um es kurz zu machen, die Prognosen waren von Freitag bis Sonntag samt und sonders falsch. Zwar war es wirklich kalt, aber bis auf wenige Minuten Nieselregen am Sonntag blieb es während der Tour trocken. Zudem schaute freitags die Sonne immer wieder zwischen den Wolken hervor. Auch sonntags wechselten Sonne und Wolken sich ab. Damit bestätigte sich wieder einmal die alte Regel, wonach „das Wetter am Bootshaus gemacht wird“ – und bei einer Wanderfahrt eben vor Ort am Fluss!

Zwischen Wetzlar und Weilburg (27 Kilometer) mussten zahlreiche Stromschnellen überwunden werden, so dass die Steuerfrauen und –männer alle Hände voll zu tun hatten, um den Steinen auszuweichen und Schäden an den Booten zu verhindern. Das gelang allerdings weit-aus besser als die Selbstbedienung der ersten Schleusen. Bei den ersten Schleusen übernahm jeweils ein Ruderer allein das Schleusen von Hand – und lief sich dabei die Hacken wund. Er musste mehr um die Schleusenkammer herumlaufen als man sich dies vorstellen kann: rechtes Tor schließen, um die Kammer laufen, linkes Tor schließen, linken Schieber schließen, um die Kammer laufen, rechtes Tor schließen, auf der anderen Seite linkes Tor und Schieber schließen, um die Kammer laufen, rechtes Tor und Schieber schließen …. Bei so viel Laufarbeit dauerte das Schleusen im Handbetrieb jedes Mal fast 30 Minuten, bei 4 Schleusen bis Weilburg also eine erhebliche Verzögerung. Bei den späteren Schleusungen stiegen deshalb immer 2 Ruderer aus, und teilten sich die Arbeit. Am Ende schaffte es diese „Schleuserbande“ die Boote in weniger als 15 Minuten zu schleusen.

In Weilburg wurde beim dortigen Ruderverein Station gemacht, bevor es durch den berühmten Schiffstunnel in die nächste Schleuse ging. Der Weilburger Schifffahrtstunnel ist der älteste und längste heute noch befahrbare Schiffstunnel in Deutschland. Der Tunnel selbst war zwar kein so aufregendes Abenteuer, wohl aber das Betätigen der äußerst schwergängigen Schleusentore der ersten Schleuse dahinter. Die Ru-derer warteten im feuchten und kalten Tunnel ungeduldig darauf, dass
es den beiden „Schleusern“ letztlich mit vereinten Kräften gelang, das arg marode Schleusentor zur zweiten Kammer zu öffnen.

Weiter fuhren die 3 Boote des Mainzer Ruder-Verein über verschiedene Stromschnellen zum Etappenziel nach Vilmar-Aumenau, einem Anlegeplatz für Kanus unmittelbar an einer Strom-schnelle. Das Anlanden gestaltete sich deshalb als eine echte Herausforderung für Steuerleute und Mann- bzw. Frauschaft und gelang nur, weil nicht wasserscheue Ruderer in das kalte Lahnwasser stiegen und selbst Hand an die Boote legten, um sie sicher und wohlbehalten ans Ufer zu ziehen.
Die Wanderfahrer waren während der Tour in Limburg untergebracht, so dass alle gemeinsam zum dortigen Hotel fuhren. Abends wurde im Werner-Senger-Haus, dem ältesten Steinhaus von Limburg, zu Abend gegessen. Am nächsten Morgen regnete es prognosegemäß, doch wurde entschieden trotzdem weiterzufahren, allerdings erst eine Stunde später als vorgesehen. Eine gute Idee, wie sich herausstellte, denn bei Ankunft in Vilmar-Aumenau hörte es schlagartig auf zu regnen. Es sollte noch besser kommen. Denn entgegen sämtlicher Wetter-Apps regnete es den ganzen Tag nicht mehr!

Für den Landdienst war, wie in Wetzlar und Weilburg zuvor auch schon, eine Führung durch die schöne Altstadt von Limburg mit seinen zahlreichen Fachwerkhäusern gebucht. An-gelangt am Domplatz wollten alle natürlich „die Badewanne von Tebartz-van Elst“ sehen. Leider war dies nicht möglich, doch begegnete den Teilnehmern der Bischof von Limburg Georg Bätzing, der gerade mit seinem Wagen das Bischofshaus verlassen wollte. Angesprochen, ob er zu einem gemeinsamen Foto bereit sei, sagte er selbst-verständlich, stieg wieder aus, fragte nach dem Woher und Wohin stellte sich zum Gruppenfoto (oben rechts) auf. Danach verabschiedete er sich von uns sehr freundlich und fuhr mit seinem kompakten Dienstwagen davon. Nach dieser Begegnung der besonderen Art konnte nichts mehr schief gehen!

Viel Zeit blieb dem Landdienst in Limburg jetzt nicht mehr, weil er nach Dietkirchen zur Zwischenetappe an der Lubentiuskirche musste. Für ein Picknick im Freien war es leider zu kalt. Deshalb hofften alle, sich in der dortigen, malerisch unterhalb des Felsen mit der Kirche gelegenen Gaststätte „Altes Fährhaus“ aufwärmen zu können. Doch war die Enttäuschung groß als die Tür verschlossen war. Wie Hänsel und Gretel im gleich-namigen Märchen klopfte einer der Ruderer ans Häuschen. Und siehe da, die Tür ging auf und Helene Fischer schaute heraus. Auf die Frage, ob wir reinkommen dürften, sagte sie zwar ja, doch es gebe nur etwas zu trinken – und außerdem schimpfte sie, gehöre es sich nicht, bei ihr unangemeldet mit einer Gruppe von 20 Personen aufzutauchen.

Diese Helene Fischer war zwar auch atemlos, aber nur wegen ihres hohen Alters von 84 Jahren. Diese
Gaststätte wird von ihr übrigens seit 54 Jahren betrieben, mittlerweile aber mehr nach dem Lustprinzip. Zunächst hatte sie keine große Lust, doch einer Ruderin mit einschlägiger Serviceerfahrung gelang es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie trat also kurzzeitig in die Dienste der Gastwirtin und nahm die Bestellungen der Teilnehmer nach dem Prinzip „Frolleinsche, ein Pils bitte“ … entgegen. In der Zwischenzeit hatten sich im Vorratskeller auch noch (sehr gute) Bockwürste und Fleischwurst gefunden, die warm gemacht allen wunderbar schmeckten. Die Abrechnung aller Bestellungen übernahm wieder die weibliche Servicekraft des Mainzer Rudervereins, wobei die Summe im allseitigen Einvernehmen deutlichst nach oben aufgerundet wurde.

Helene Fischer fand die „Gage“ wohl etwas zu hoch und entschied, dass 20 € in das Sparschwein für die Bärenherzstiftung gehörten. Zum Abschied taute sie vollends auf und „Hänsel“, der wagemutig ans Häuschen geklopft hatte, wurde auf beide Wangen geküsst. Ob ihm die bekanntere Helene Fischer lieber gewesen wäre, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers dieser Zeilen. Wohlgelaunt und in der Gewiss-heit ein echtes Original von der Lahn erlebt zu haben, verließen alle zwar nicht das legendäre „Wirtshaus an der Lahn“, sondern Helene Fischer.

Am dritten und letzten Tag stand die Etappe von Balduinstein nach Obernhof an (20 Kilometer) mit 3 Schleusen auf dem Programm. Das Wetter war ein sehr kalter Mix aus Sonne, Wolken und etwas Nieselregen. Am Ziel in Obernhof angekommen, überforderte die „Schleuserbande“ die Lahn-Gastronomie ein weiteres Mal. Auf ein Bier musste man schon einmal 30 Minuten warten und beim Essen war die Wartezeit zum Teil doppelt so lang. Hungrig aufge-standen ist aber keiner! Doch am Ende waren alle zu-frieden und verließen Obernhof mit Zug, Bus und Pkw in alle Himmelsrichtungen nach Hause, wo sie abends alle wohlbehalten angekommen sind. Und wenn Helene Fischer nicht gestorben ist, dann … fahren alle wieder auf der Lahn.

Wanderfahrtstrecke:

  1. Etappe: Wetzlar, Parkplatz Bachweide (KM 12,5) – Weilburg, Ruderverein (KM 39,6)
  2. Etappe: Weilburg, Ruderverein – Villmar-Aumenau, Kohlstraße 1 (KM 54,1)
  3. Etappe: Villmar-Aumenau – Limburg-Dietkirchen, Lahnstraße 1 (KM 73,5)
  4. Etappe: Limburg-Dietkirchen – Balduinstein, Bahnhof (KM 90,7)5. Etappe: Balduinstein – Obernhof, Campingplatz, Bahnhof (KM 110)
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